10. März 2019, in der Aula im Seesener Schulzentrum steht ein Vortrag zum Thema Zukunft auf dem Programm. Der Diplom-Physiker Vince Ebert verdeutlicht die Geschichte und die Zukunft der Zukunft. Aber so war es gar nicht.

Vince Ebert, tatsächlich Diplom-Physiker, führt beschwingt und witzig durch sein siebtes Soloprogramm, ein feiner Kabarettabend nicht nur für Physiker. Das bunt gemischte Publikum hat trotz mieser Wetterverhältnisse das Sofa verlassen und in der Aula Platz genommen.

Auf der Bühne lediglich ein Bildschirm, eine Stimme  –  VAL –  moderiert den Künstler an. Vince Ebert stellt schnell klar, dass die Deutsche Rentenversicherung falsch liegt mit dem Slogan „Die Zukunft ist jetzt“, denn vielmehr ist die Zukunft in the Future. Wunderbar die Erwähnung des 2. und 3. Satzes der Thermodynamik, eine Aufmunterung, die kaum ein Psychologe besser formulieren könnte. ( Es geht mit dem Universum bergab, aber man kann den Nullpunkt nicht erreichen! Oder: Es geht immer schlimmer!)

In der ersten Hälfte des Programms, erklärt Ebert die Geschichte der Zukunft und bedient sich der Hilfe seiner virtuellen, eigensinnigen Bildschirmassistentin VAL. In der Vergangenheit war die Vorstellung für das Jahr 2019 ganz anders, „keine Rucksackraketen, kein Warpantrieb und kein Mittel gegen Krebs. Dafür aber die iWatch , keine Mauer mehr und eine Pille, die bei der Einnahme eine Erektion verursacht.“ Ebert ist sicher, „wer braucht da schon Rucksackraketen?“ Die Zukunft ist nichts planbares, deutlich Erkennbares. Zukunft mit selbstfahrenden Autos und Berufsaussichten im Odenwald erträumt der  Kabarettist.

Bezüge zu seiner Herkunft vom Nabel der Welt, aus Amorbach im Odenwald, durchziehen das Programm in amüsanter Weise. Die Künstliche Intelligenz auf der Bühne, VAL, spricht zu mechanisch und verdeutlicht so die Technik, als Ebert dies beklagt, switscht VAL um und lässt sich im „Wiener Schmäh“ ihres Programmierers aus, aber steirisch und tirolerisch gehen neben hochdeutsch ebenfalls.

Ebert gibt Hinweise, dass Reisen in die Vergangenheit zu dem Problem des sog. Großvater-/ Vaterparadoxon (bitte nachschlagen!) führen, andere Reisemöglichkeiten wie Beamen oder Teleportieren lassen sich mit einfacher Struktur durchführen, ob dies auch für „Ballermannurlauber“ möglich wäre, bleibt abzuwarten. Die Dauer dieser Reisemöglichkeit ist noch etwas lang.

Die Zukunft an sich scheint laut Ebert eine „gute, deutsche Dauerdepression“ hervorzurufen, denn Zukunftsängste sind immer gegenwärtig. Sie führen dann zu medizinischen Vorhaben und Vorstellungen vom Designer-Baby, das bei den Möglichkeiten der Erbgutverteilung mit 70 Billionen Möglichkeiten doch nicht perfekt sein könnte. Das Wunder „Mensch“ passiert einfach.

Von Amorbach „am Arsch der Welt“ fühlte sich der Weg in die große weite Welt gut an. Laut Vince Ebert war Aschaffenburg für ihn ein Highlight, eine nicht schlafende Metropole, denn die Geschäfte hatten mittags geöffnet. Der Besuch des Stripclubs in Frankfurt, der Stadt mit den vielen Insulinpatienten (im Park waren viele Spritzen), brachte Ebert auf eine Idee für sein Studium: Drehen sich die Frauen an den Stangen in Australien andersherum? Um diese Frage wissenschaftlich auch fundiert beantworten zu können, blieb folglich nur das Physikstudium. So einfach kann es gehen.

Die Probleme der modernen Partnersuche per Internet und Computer greift der Künstler süffisant auf. Vieles läuft nicht „linear“ ab. Frauen sehen angeblich nur auf innere Werte, aber in Wirklichkeit läuft es schlecht, „wenn man zum ersten Date ein großes Blutbild mitbringt.“ Beziehungen sind nicht lineare Beziehungen, betont Ebert und erklärt belustigt, dass schon Rudy Giuliani, ehemaliger Bürgermeister von New York, sagte, „dass er sich nicht vor Terrorismus fürchte, da er verheiratet sei.“ Das Publikum ist höchst amüsiert. Als kleine Drohung schiebt der Künstler nach,  jedes 5. Mordopfer in Deutschland sei vom Partner getötet worden.

Ebert liebt und spielt mit Statistiken, der Physiker ist hier in seinem Element. Zahlen, Daten, Fakten werden hübsch gemacht und aufbereitet und auch der Nicht-Wissenschaftler findet es super lustig. Mit einer Computerpartnersuche endet der erste Teil des Programms, allerdings suchen die Ausgewählten gar nicht. Sekt gibt es trotzdem!

Die Zukunft der Zukunft – Teil 2 des Abends in der Seesener Aula setzt noch einmal andere Höhepunkte und ist noch besser als der erste Teil. Der Mensch als irrationales Wesen, der sich seine Welt selbst zusammenschustert, zeigt einmal mehr, dass Ebert tiefen Einblick hat. Physiker müssen also keine weltfremden Nerds sein. Mit amüsanten Bezügen zur Physik, so erinnert den Künstler eine Frau am Strand mit Tanga an die Stringtheorie, schafft Ebert eine sehr gute Stimmung, sorgt für Lacher und gute Unterhaltung.

Maßnahmen zur Lebensverlängerung aus dem Wissenschaftsmagazin „Brigitte“ werden ebenso hinterfragt, wie das System Leben an sich. Vermehren und Arbeit verrichten als Hauptkomponenten des Lebens bestätigen Ebert, dass ein partnerloser Germanistikstudent ein Untoter sein müsse.

Ob Sterben wirklich schlimm ist?, fragt der Kabarettist. Immerhin hat Elvis in den drei Jahren nach seinem Tod mehr Platten verkauft als die drei Jahre davor. Ebert zeigt fast philosophisch auf, dass Sterblichkeit Antrieb, Neugier und Zukunft birgt.

Ein Hipster ist nach Beschreibung des Kabarettisten ein Mann, der Stunden im Bad braucht um auszusehen, als würde er keine Zeit für sein Äußeres verschwenden. Als Beispiel nennt er Lenny Kravitz, der auf der Bühne steht, nichts macht, außer schauen und die Frauen rasten aus. Bei dem Selbstversuch 30 Sekunden nur auf der Bühne zu stehen, erkennt Ebert schnell, dass das Publikum denkt, er habe den Text vergessen. Physiker und Kabarettist oder Hipster, die Entscheidung ist getroffen!

Leben ist jetzt! Zukunft ist jetzt! Freude empfindet nur, wer auch bereit ist, Risiken einzugehen. Vince Ebert fordert am Ende seines Programmes für das Seesener Kulturforum e.V. dazu auf, einen positiven Blick in die Zukunft zu werfen und diese selbst zu gestalten!

Ein toller, lehrreicher und amüsanter Abend nicht nur für Naturwissenschaftler schließt zur Titelmelodie von Star Trek: Raumschiff Voyager. Das war toll!
Tanja Wöhle

Fotos: Antonio Mateo

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