Aulabeben in Seesen  
La Signora alias Carmela de Feo kocht die Halle hoch! 

Nach dem witzigen Vorgeplänkel mit La Signora auf den Social Media Kanälen des Kulturforums und der großen Vorfreude beider Seiten ist sie nun endlich vor Ort: Im zugeknöpften, mausgrauen Kostüm mit Dutt und Haarnetz fegt sie auf die Bühne: „So! Fangn wa jetz endlich ma an? Bisschen disziplinierter bitte!“ Nahbarkeit ist Programm, ihrem herben Ruhrpottcharme kann sich das Publikum nicht entziehen. Der Slang aus dem Pott wirkt intravenös. 

Erstmal wird das Publikum interviewt, um Stichworte für das Programm zu sammeln. Selbst schuld, wer Plätze in den vorderen Reihen bucht. Als wären die Antworten so bestellt, wird ruckzuck ein Programm draus, bei dem es die Gäste vor Lachen aus den Sitzen hebt. Spontan, schlagfertig bis in die Zehenspitzen und komisch ohne Ende – blitzschnell wird verarbeitet, was sich eben bietet.  

„Schätzchen, wer hat Dich denn heute ausstaffiert?“ Verzweifelte Versuche von Ehefrauen, das Elend des Gatten mit Anziehsachen zu kaschieren, werden identifiziert. „Is dat deine Frau da neben Dir? Wenn ich mich hier so umschaue, ich scheine nur alte Leute anzuziehen. Dat wird ein schöner letzter Abend heute. Aber ich muss euch enttäuschen, grade den Lüstling hier vorne: ich ziehe mich heute nicht aus. Obwohl, ich steh ja auf ältere Herren – ich krieg grad ganz feuchte Kniekehlen. Dat is ja so: Rentner haben Zeit, die vermisst zu Hause keiner, die wissen: is bald soweit! Da sind die umso intensiver. 

Und wat is dat denn hier links außen, de Jugend! Mir schießt grad de Milch ein. Wat macht ihr denn hier? Ihr sollt dat Leben jenießen! Feiert lange, es jeht schnell bergab. Dat seht ihr ja hier … achtet in der Pause mal aufs Bindejewebe … 

Und der Herr hier vorn, der versucht hat, sich schön zu machen. Wie lange bist Du denn schon mit ihr zusammen? 50 Jahre! Dat schafft die Jugend nich, die Generation tauscht gern. Die lernen sich nich aufe Arbeit kennen, sondern aufe App. Tinterintintin, da drin kannse blättern wie früher im Quelle-Katalog. Ein Date is en Match. Liebe ist wie ein Wandertag, weil ich jeden Tag einen andern mag … Und wenne wen suchst? Worauf achteste dann? Innere Werte? Kriegste erstmal eh nich raus. Nimm‘en Hausmeister, also einen, der wat kann. Den kannse auch mal verleihen. ‚Oh, bei mir tropft et, kann er mal kommen?‘ Lehrer und Beamte, die dir nur den ganzen Tag die Welt erklären, will keiner. Und wenn nix jeht, wählste 110. Der Polizist MUSS kommen, bringt gleich Handschellen mit und kennt sich aus mit Verkehr.“ Das Lied „110“ erläutert die Thematik zusätzlich musikalisch.  

Auch alle anderen Themen werden musikalisch verarbeitet. Neue Texte auf alten Songs bringen das Publikum in Schwung und La Signora ebenfalls. Voller Körpereinsatz, hüpfen, springen, sprinten, drehen und wenden, vorwärts, rückwärts, alles auf einmal oder nacheinander. Das Tempo ist verbal wie optisch atemlos bis zur Pause, die sowohl die Künstlerin als auch das Publikum zum Durchatmen dringend benötigen. Leider kommt das Akkordeon wenig zum Einsatz, dafür die Stimme umso mehr.  

Nach der Pause geht es ähnlich weiter. Eigentlich wäre La Signora gern ein Star geworden, ist leider auf dem Weg nach Hollywood falsch abgebogen. Dort machen sie nämlich am Fließband aus Graubrot Törtchen. Und Zähne sind wichtig! Man guckt den Leuten in den Mund! Das liegt an unserer Vergangenheit auf Pferdemärkten. Aber Karriere kommt nicht von Karies, den Zahn können wir uns ziehen. Hollywood wär schön gewesen. 

Nochmal zurück zur Jugend. Eigentlich soll sie feiern bis zum „Jehtnichmehr“, aber was macht sie? Träumt vom Haus bauen und Kinder kriegen. Und kein Mensch sagt ihnen, „wat dat bedeutet“. Ein Baby guckt, sabbert und kackt. Von morgens bis abends, Tag für Tag. Guckt, sabbert, kackt. Da lobt sie sich den Hering, der kann sofort schwimmen. Oder den Vogel. Ein paar Stunden Flugübungen, und er kann in der Linde rückwärts einparken. Und er zieht aus nach 2 Wochen!!  
Dann rückt die Entbindung näher und sie gucken Tutorials über die sanfte Geburt. „Und wat machse, wenn et klemmt?“ Dann kommt die Glocke oder die Zange. Die kennt er nur vom Weber-Grill. Hier klappt er weg und ist der erste im Träumeland. „Und wenn ihr dann die Klinik verlasst, denkt dran: Ihr müsst et mitnehmen!!!“  

Die erste Reihe wartet immer noch auf Striptease. „Leider, liebe Männer, kann ich nüscht für euch tun. Die Karten kaufen hauptsächlich eure Frauen, da ist die Richtung klar!“  
 
Zum Schluss ein großer Dank an Reiner und Björn von der Technik, an das Kulturforum und „an mir selber“. Es gibt auch nur eine Zugabe, weil: „irjendwann is auch jut!! Raus mit Euch, es ist nach 10! Ab int Bett“. Und, wie um sicher zu gehen, dass sich alle auf den Weg machen, verabschiedet La Signora die Gäste mit unmissverständlicher Armbewegung. Nicht jedoch, ohne nebenbei ihre Bücher zu signieren und sich unzähligen Selfies mit begeisterten Gästen hinzugeben. Nahbar bis zur letzten Minute und im Foyer gefühlt genauso komisch wie auf der Bühne. Improvisation ist eine riesengroße Stärke der Signora. Ein herrlich leichter Abend in diesen komischen Zeiten. Wir freuen uns auf das nächste Mal! 

Heike Hammer-Geries 

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