Heute schon eine Kröte geschluckt?
Das Programm eines Stoikers – Pelzig in Seesen
Am 13. März 2024 kommt nach sechsjähriger Abstinenz Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig zum Kulturforum Seesen e.V. und zeigt auf der Bühne der Aula sein neues Programm „Der wunde Punkt“.
Da sein letzter Auftritt in Seesen 2018 war, schwelt bei Pelzig neben der Vorfreude auf den Abend die unberechtigte Sorge mit, dass er entbehrlich geworden sei.
Pelzig sieht sich selbst nicht als Pessimisten, was man denken könnte, wenn man ihn reden hört, sondern sieht sich selbst als Stoiker und hält es wie Seneca:
„Ein Mann sollte jeden Morgen eine Kröte schlucken, um sichergehen zu können, dass ihm an dem Tag, der vor ihm liegt, nichts Widerlicheres begegnet!“
Das stellt für Pelzig, das Leckermäulchen, auch kein Problem dar, denn als Mitglied des NABU bieten sich da gerade gute Möglichkeiten, selbst wenn man schon mal zwei schlucken müsste.
An diesem Tag hätte Pelzig auf seine Morgenroutine mit der Kröte gut verzichten können, denn er erhält am Ende des Abends Standing Ovations.
Der Abend ist gefüllt mit den Kriegen, Krisen und Kränkungen der Gesellschaft, die Pelzig in schonungsloser Ehrlichkeit garniert serviert. Gemeinsam mit Hartmut und Dr. Göbel wird wild diskutiert und ein dreier Gespräch simuliert.
Es fehlt Pelzig der passende Abgang der Pandemie und so wird er selbst zur Pandemie und hält seine pathetische Abschiedsrede mit Warnungen und dem Hinweis, dass es nie wieder so sein wird wie zuvor. Die Normalität „kriegen wir nimmer!“
Demokratie, Erziehung, KI, Gendern nichts lässt Pelzig unkommentiert, zeigt mit dem spitzen Finger darauf und bohrt dann tiefer. Da den Stoiker zu erkennen statt des Pessimisten, fiele schwer, würde dies nicht so amüsant vermittelt. Charmant kommt dann noch der fränkische Akzent hinzu, der trotz erhobener Stimme immer sanfter erscheint als schweres Hochdeutsch.
Die passenden Zitate, die ins Programm gestreut sind, sind von Männern, dies wird beim Thema „Gendern“ von der Frauenstimme aus dem Off kritisiert und sie „arbeitet“ nicht mehr. Pelzig wird sich bewusst, dass er nur Männer hat zu Wort kommen lassen und reagiert.
Die folgenden Zitate, die fortan im Programm auftauchen und die Pelzig selbst vorträgt, stammen alle von Frauen.
Ein geistreicher tiefgründiger Abend endet mit verdienten Standing Ovations für den Künstler.
Das Kulturforum Seesen e.V. hofft, dass nicht wieder so viel Zeit vergehen muss, ehe Frank-Markus Barwasser seinen Cordhut und das Handtäschchen auspackt und als Erwin Pelzig auf die Aula-Bühne kommt.
Kleiner Tipp: Nicht alle Kröten muss man schlucken!
Tanja Wöhle