Am 14.11.2018 kommt mit Andreas Rebers einer der bekanntesten und beliebtesten Kabarettisten ins Kulturforum Seesen e.V. Rebers, der im April 2018 mit dem Dieter-Hildebrandt-Preis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet worden ist, kommt zum 4. Mal in die Aula. Der als „präziser intellektueller Analytiker“ bekannte Rebers, „ist auch ein hervorragender Musiker, Dichter und Literat“, wie es in der Begründung der Jury zum Dieter- Hildebrandt-Preis heißt.

Das Seesener Publikum kann sich von diesem Können überzeugen. Man war vorgewarnt, dass „das Programm Spuren von Satire enthalten kann.“ Es war weit mehr als das. In der „Pissnelken-Republik“ droht Frost! Der Zuschauer im TV mache von seinem Recht auf Nichtwissen Gebrauch, daher werden Tierfilme geschaut, am liebsten mit Seehunden und ohne süße Pinguine. Ein bitterböser Satirehöhepunkt war wohl der Bericht von „Reverend Rebers“ über das Hitler-Imitatoren-Treffen in Teheran. Die Frage der Jury nach neuen faschistischen Talenten in Deutschland beantwortet Rebers damit, dass es keine Talente gebe, wenngleich Höcke sich bemühe. Aber es gibt nach Rebers wohl nichts Schlimmeres, als junge Leute, die sich bemühen. „Reverend Rebers“ hat in Teheran einen harten Konkurrenten, Erdolf, der Teilnehmer aus der Türkei erweist sich als sehr begabt, besonders in den Kategorien: Führer-Schein, als Barista mit der besonderen Kategorie Cappuccino-Schaum mit Hakenkreuz und im Reden. Aber in der letzten Kategorie versagt Erdolf und klebt den Bart falsch an.

Das öffentliche Fernsehen, „betreutes Denken im ZDF“, kann nicht akzeptiert werden. Rebers sieht sich als der Oberbrandmeister des Fegefeuers und Exorzist und will den Menschen misstrauisch. Den Menschen misstrauisch zu machen, ist sein Ziel: denn dieser ist glücklich, „auch wenn man es ihm nicht ansieht!“ Rebers möchte „kein Öl ins Feuer gießen, [sondern] die Kirche im Dorf anzünden!“ Es wird böse. Was machen die Nachrichten? Erziehen oder verarschen! Rebers nimmt kein Blatt vor den Mund. An einigen Stellen bleibt einem das Lachen weit im Rachen zurück, wenn man erkennt wie wahr der erzählte Wahnsinn ist. Was gebraucht wird, ist Rebers klar: „Wir brauchen schwachsinnige Forderungen, dann kommt Bewegung in die Sache.“ Es geht immer darum „den Unmut anzureichern, [denn] Uran wird nicht mehr angereichert.“

Musikalische Untermalung und Sequenzen runden die Gesprächsnotizen des Abends ab. „Long time ago in paradise, Adam und Eve…“ Rebers sieht sie als heterosexuelles Paar mit bildungsfernem Hintergrund. Wortgewandt spielt er mit Aussprüchen der Bibel wie mit Suren des Korans. Adam, der faule Mann, der unter der Palme ruht und Eva, die alles versucht, Adam zum Reden zu bringen. Seit der Vertreibung aus dem Paradies ist eine glückliche Paarbeziehung gar nicht vorgesehen. Aus der Biografie des Kabarettisten: „Musste was mit Hass machen! […] bin Lehrer geworden!“ Das Lästern über Schüler beim Turnen, dem Dicken im Tor und die Schlagballwürfe von Mädchen und Jungen (Jungen können das, das ist genetisch: vom Speerwerfen und Mädchen können das nicht, kommt vom Rühren im Topf) ist dann auch gut und eigentlich gar nicht so witzig.

Was wäre Rebers ohne seine Nachbarin Sabine Hammer, geschiedene Sichel? Und da ist sie schon, alleinerziehend und wiederkehrend im Verlauf des Abends. Die Erhöhung der Sozialkompetenz der Kinder und besonders der Eltern beschäftigt Reverend Rebers stark. Als ein Vater in der Kita seinen Sohn davon überzeugen will, dass er ein anderes seinen neuen Roller fahren lassen solle, fragt Rebers den Vater trocken, ob der 7er BMW draußen seiner sei. Frau Hammer ist bei den Grünen und predigt viel schlechtes Gewissen, denn „Grüne wollen, dass wir gesund sterben!“ Ein Lied für Franky Steinmeiers Ausspruch „ Politik muss zurück aufs Land“ geht es weiter. Auto-fasten wollte Sabine Hammer, Rebers regt das derart auf, dass er sich noch ein Fahrrad kauft, oben aufs Auto lädt und mit zwei Rädern auf dem Autodach Radwege zuparkt! Mit dem geliehenen, leisen Tesla hat Frau Hammer ihn vorm Zusammenprall gar nicht gehört. Dem Auto-fasten entsprechend lud Rebers die Nachbarin in den Anhänger seines Rades und brachte sie zur Klinik, wo er bat auf „Gips zu verzichten und besser zu töpfern!“

Nach Hinweisen auf Telefonate zwischen Putin und Erdogan, die sich sorgten, weil „das deutsche Kabarett Druck“ mache im Syrien Konflikt, der 5. Dimension, wenn der Deutsche bei sich ist, kommt es zu einem weiteren Höhepunkt des Abends. Mit den Zeilen: „Ich wünsche mir von dir: Zeit auf Papier! […] Handschrift ist wie ein Gesicht, vergiss das nicht! […] Befrei uns von der Diktatur, der Diktatur der Tastatur!“ verdeutlicht Rebers anschaulich die Konsequenzen des Digitalen im Banalen. Der Abend ist kurzweilig und abwechslungsreich: ein perfekter Kabarett-Cocktail! Zwei Zugaben machen den Mittwochabend rundum gelungen! Kleiner Wermutstropfen, die Veranstaltung des Kulturforums Seesen e.V. war nicht ausverkauft. Schade!

Bericht: Tanja Wöhle
Fotos: Antonio Mateo







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